Wird mein Kind gesund sein?
Viele Menschen mit HIV wünschen sich Kinder. Dieser Wunsch muss nicht unerfüllt bleiben: Zeugung, Schwangerschaft und Geburt sind trotz der HIV-Infektion möglich. Eine Infektionsgefahr für den HIV-negativen Partner beziehungsweise die Partnerin kann dabei durch HIV-Medikamente und andere Methoden nahezu ausgeschlossen werden. Auch für das Kind besteht heute fast keine Infektionsgefahr, wenn entsprechende Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden.
Eine Zeugung durch Geschlechtsverkehr ist unter bestimmten Bedingungen auch für Menschen mit HIV möglich. Zu diesen Bedingungen gehört vor allem eine gut funktionierende HIV-Therapie. Die Zeugung sollte ausschließlich nach eingehender Beratung in der HIV-Schwerpunktpraxis erfolgen. Nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen geht der HIV-negative Partner beziehungsweise die HIV-negative Partnerin so gut wie kein Risiko ein.
Wenn eine natürliche Zeugung nicht in Frage kommt oder gewünscht ist, gibt es noch zwei weitere Möglichkeiten: Wenn die Frau HIV-positiv ist, kann die Zeugung durch künstliche Befruchtung mit dem Sperma des Mannes erfolgen. Ist der Mann HIV-positiv, wird sein Sperma "gewaschen". Das bedeutet: HIV wird im Labor aus dem Sperma entfernt. Danach wird dann eine künstliche Befruchtung durchgeführt. Ausführliche Informationen zu diesem Thema geben die Deutsche AIDS-Gesellschaft und die Österreichische AIDS-Gesellschaft in ihren gemeinsamen Leitlinien zur "Diagnostik und Behandlung HIV-betroffener Paare mit Kinderwunsch".
Die Übertragung von HIV von der HIV-positiven Mutter auf das Kind kann heute durch verschiedene Maßnahmen in fast allen Fällen verhindert werden. Folgende Maßnahmen sind notwendig:
- regelmäßige Einnahme von HIV-Medikamenten während der Schwangerschaft
- regelmäßige Untersuchungen beim Frauenarzt und in der HIV-Schwerpunktpraxis oder HIV-Ambulanz
- bei der Geburt sollte ein Ärzte-Team bereitstehen, das sich mit HIV auskennt
- Verzicht aufs Stillen
- vorbeugende Behandlung des Kindes mit HIV-Medikamenten für vier Wochen
Die Entbindung findet heute in den meisten Kliniken per Kaiserschnitt statt. In einigen spezialisierten Kliniken gibt es aber auch die Möglichkeit der vaginalen Entbindung. Damit ist kein höheres Risiko für das Kind verbunden, wenn die oben genannten Bedingungen eingehalten werden.
Weitere Informationen zum Theme HIV und Schwangerschaft finden Sie unter frauenundhiv.info.
"Ja zum Kind"
Rosi ist HIV-positiv und seit wenigen Jahren Mutter. Ihre Augen
leuchten, wenn sie von ihrem kleinen Jungen schwärmt. Es war ein
steiniger Weg bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie ihr Kind erstmals in den
Armen halten konnte. Damals war sie bereits 39 Jahre alt und
HIV-positiv. Sie selbst hatte mit den Jahren für sich einen Weg
gefunden, mit dem Virus zu leben. Aber was, wenn sie das Kind anstecken
würde? Damals, 2009, gab es noch deutlich mehr Ängste und
Unsicherheiten. Um sicher zu gehen, zog man daher in der Regel die
Geburt per Kaiserschnitt der natürlichen Geburt vor. Auch wurde vor
einem Risiko der Infektion durch die Muttermilch gewarnt, so dass viele
Frauen vom Stillen ihres Kindes Abstand nahmen.
Für eine
brasilianische Frau scheint beides schier undenkbar. Der Weg durch den
Geburtskanal ist wichtig für das Kind, das Stillen ist die natürlichste
Ernährungsmethode und stellt noch dazu eine ganz besondere Verbindung
zwischen Mutter und Kind her. Was ist das für eine Mutter, die ihr Kind
nicht stillt?
Auf der anderen Seite tickte ihre biologische Uhr.
Sie wurde nicht jünger. Und auch wenn sie es nicht wollte, ihre
Erziehung und kulturelle Prägung konnte sie auch nach zahlreichen Jahren
in Deutschland nicht ohne weiteres abschütteln. Die Familie bedeutet
viel in ihrer Kultur, wenn nicht sogar alles. Sie ist der soziale
Unterstützungskreis, sie allein sichert die Zukunft. Je mehr Kinder,
desto besser. Und, auch dies ist nicht unerheblich, eigene Kinder
empfinden viele Frauen aus dem südamerikanischen und afrikanischen Raum
vielfach als Bestätigung ihres Frau-Seins. In der Community brachte man
ihr ob ihrer Kinderlosigkeit daher auch einiges Unverständnis entgegen.
Rosi teilte diese Gefühle nicht unumwunden, hatte jedoch durchaus damit
zu kämpfen.
Aber sie machte auch andere Erfahrungen. So war es
ihre Gynäkologin, die sie zu einer Schwangerschaft ermutigte. Sie nahm
ihr die Angst und schien gut informiert zu sein. Neueste Erkenntnisse
der Medizin ab 2008 belegten erstmals, wie gering die Ansteckungsgefahr
unter einer erfolgreichen und konsequent durchgeführten Therapie war.
Den entscheidenden Impuls bekam Rosi aus ihrem Netzwerk für Positive
Migrantinnen und Migranten. Dort begegnete ihr erstmals eine
HIV-positive Frau mit Kind. Sie sah mit ihren eigenen Augen eine Mutter
mit HIV. Und es schien ihr und ihrem Kind gut zu gehen.
Es wurde Zeit für eine neue Erfahrung! Ihr Partner und sie beschlossen, den Schritt zu wagen und ein Kind zu bekommen!
Die
Umgebung der beiden reagierte ganz unterschiedlich. Die Eltern waren
begeistert, was aber auch damit zusammen hing, dass sie nicht über ihre
Infektion informiert waren. Der Großteil ihrer Freunde teilte diese
Euphorie und freute sich mit dem Paar. Daneben gab es aber auch
Verletzungen. So etwa von einer guten Freundin, die nicht in der Lage
schien, ihre Ängste Rosi gegenüber zu formulieren und ihr stattdessen
Verantwortungslosigkeit vorwarf. Rosis beste Freundin hatte sich sogar
komplett zurückgezogen und mied den Kontakt mit ihr.
Die erste
Zeit der Schwangerschaft war schwer. Rosi vertrug die Medikamente nicht,
litt unter Übelkeit und Erbrechen. Sie machte sich Sorgen um das Kind
in ihrem Bauch. Dadurch, dass sie vor der Schwangerschaft bereits eine
mehrjährige Therapiepause eingelegt hatte, konnte sie nun den neuen
Zyklus nicht mehr unterbrechen. Die Auswahl der Medikamente war für
Schwangere jedoch sehr eingeschränkt. Glücklicherweise ging es ihr mit
dem 2. Medikament besser, sie erholte sich gut und blieb bis heute bei
dieser Kombinationstherapie.
Die Auswahl der Geburtsklinik war
einfach: Im näheren Umkreis gab es 2009 nur zwei Kliniken, die auf einen
Geburtsvorgang mit einer HIV-positiven Frau vorbereitet waren. Bei den
Hebammen sah es nicht anders aus. Es gab zu wenig schwangere Frauen mit
HIV, der Bedarf an Hebammen mit einem HIV-Schwerpunkt war zu gering.
Aufgrund
fehlender Erfahrungswerte für Vaginalgeburten beharrte das
Klinikpersonal nach wie vor auf der Wahl des Kaiserschnitts. Dass die
Medizin Fortschritte gemacht hatte, war also noch nicht wirklich
angekommen. Rosi war machtlos in Anbetracht der dünnen Versorgungslage.
Aber
abgesehen davon fühlte sie sich in der Klinik gut aufgehoben. Das
medizinische Personal behandelte sie freundlich und ebenso respektvoll
wie ihre Mitpatientinnen. Es gab allein eine Situation, die auf
Unsicherheiten im Umgang mit HIV schließen ließ. Rosi hatte den
Eindruck, dass man sich zu sehr an den Leitlinien orientierte und dabei
die Person etwas aus den Augen verlor. So erklärt sie sich heute die
verfrühte Terminierung des Kaiserschnittes, durch welche sie viel Blut
verlor. Auf den Blutverlust reagierten die Ärztinnen und Ärzte wiederum
besonnen und verabreichten ihr Blutplasma statt einer Blutkonserve. Eine
normale Bluttransfusion erhöht bei Menschen mit HIV die Gefahr einer
Hepatitis-Infektion.
Der Geburt folgte ein weiteres aufregendes
Jahr, nach dessen Ablauf erst festgestellt werden konnte, ob das Kind
infiziert war oder nicht. Alles war gut gegangen. Der Test war negativ.
Heute geht es Rosi und ihrem Kind gut.
"...neben den Besonderheiten der Infektion ist die Frau eine ganz 'normale' Schwangere" - Interview mit der Hebamme Ute Lange
Ute
Lange arbeitet als freiberufliche Hebamme in Wuppertal. Seit 1983 ist
sie Hebamme, seit 1990 in eigener Praxis. Ihre erste Begegnung mit dem
Thema HIV/Aids und Schwangerschaft hatte sie im Jahr 1996, als sie eine
HIV-positive Frau während der Schwangerschaft, Geburt und im Wochenbett
begleitete. Seit dieser Zeit hat sie rund 30 HIV-positive Frauen
betreut. Sie ist außerdem Beauftragte für Internationale Hebammenarbeit
im Deutschen Hebammenverband und Soziologin und
Erziehungswissenschaftlerin (M.A.). Zurzeit arbeitet sie als
wissenschaftliche Mitarbeiterin im Verbund Hebammmenforschung der
Fachhochschule Osnabrück.
Sie haben als Hebamme mehrere HIV-positive Frauen begleitet. Sehr
häufig erfahren Frauen während der Schwangerschaft von ihrer
HIV-Infektion. Das löst natürlich erst einmal einen großen Schock und
eine große Verunsicherung aus. Wie geht es den Frauen, wenn sie das
erste Mal zu Ihnen in die Praxis kommen?
Die meisten
HIV-positiven Frauen, die ich in meiner Praxis begleite oder begleitet
habe, wussten bereits vor ihrer Schwangerschaft von der HIV-Infektion.
Bei ihnen stellt sich die Situation deshalb anders dar, sie haben
langjährige Erfahrung im Umgang mit ihrer Infektion.
Das heißt, die Frauen haben sich bewusst für eine Schwangerschaft entschieden?
Ob es sich jeweils um eine bewusst geplante Schwangerschaft
handelt, kann ich Ihnen nicht sagen. Ich frage die Frauen generell
nicht, wie sie schwanger geworden sind, weil ich der Meinung bin, dass
mich das erstmal nichts angeht. Einige Frauen berichten von sich aus
irgendwann vom Beginn der Schwangerschaft und den Begleitumständen. Oft
sind es ja Ängste und Schuldgefühle, die sie mit sich herumtragen. Da
besteht dann ein gewisser Druck, jemandem davon erzählen zu wollen.
Eine HIV-positive Frau gilt aus medizinischer Sicht automatisch als
sogenannte Risikoschwangere. Was verändert das innerhalb der Vorsorge?
In der Tat wird eine Schwangerschaft unter einer HIV-Infektion
als Risikoschwangerschaft eingestuft. In einer Schwangerschaft ohne
Risikofaktoren kann die Hebamme bis auf den Ultraschall alle
Vorsorgeuntersuchungen durchführen. Erst wenn ein abklärungsbedürftiger
Befund oder ein allgemeines Risiko festgestellt wird, wird die ärztliche
Vorsorge notwendig. Bei einer HIV-positiven Frau ist dies der Fall,
daher hat die Hebamme hier eher andere Aufgaben. Die Schwangere sollte
also an einen niedergelassenen Gynäkologen und an ein
HIV-Schwerpunktzentrum angebunden werden.
Welche Aspekte müssen beachtet werden?
Natürlich sollten die Laborparameter und die Viruslast im Blut
sehr genau beobachtet werden. HIV-positive Frauen sind außerdem
gefährdeter für die Entwicklung eines Schwangerschaftsdiabetes und
vorzeitiger Wehen. Auch müssen weitere Infektionen ausgeschlossen oder
gegebenenfalls behandelt werden, z.B. Hepatitis B und C. Zur Geburt
werden HIV-positive Frauen in sogenannte Level I-Kliniken überwiesen,
die eine intensivmedizinische Versorgung von Mutter und Kind
gewährleisten können.
Das bedeutet, dass die
Schwangerschaft sehr medizinisch dominiert ist. Die Schwangere wird mit
sehr vielen medizinischen Informationen konfrontiert und sie muss viele
Entscheidungen treffen. Wie kann man Frauen in dieser Situation
unterstützen?
Das ist richtig. Als positive Frau ist
die körperliche Erfahrung sehr häufig auf das Medizinische fokussiert.
Die Hebamme kann an dieser Stelle eine gute psychosoziale Begleiterin
sein, aber auch positiv auf mögliche medizinische Risiken wie vorzeitige
Wehen Einfluss nehmen. Sie kann die Schwangere dabei unterstützen, eine
andere Perspektive einzunehmen. Für viele bedeutet eine Schwangerschaft
und ein Kind zu gebären eine unglaubliche Bestätigung ihres Frauseins.
Frauen erleben sich in dieser Phase als sehr potent. Ich biete mich als
Gesprächspartnerin an und kann den Blick wieder für das individuelle
Erleben der Schwangerschaft öffnen: Für die Fragen und Ängste, für die
Freude auf das Kind und das „Schöne“. Denn neben den Besonderheiten der
Infektion ist die Frau eine ganz „normale“ Schwangere, mit allen
Bedürfnissen und Wünschen, die sich in dieser Zeit entwickeln und die
ausgedrückt werden wollen. Ich ermutige die Frauen, psychosoziale
Angebote wahrzunehmen.
Sie haben in der Landesarbeitsgemeinschaft Frauen HIV/Aids auf das gesundheitsfördernde Potential einer Schwangerschaft hingewiesen.
Ja. Heute weiß man, dass durch eine Schwangerschaft keine
langfristige Verschlechterung der gesundheitlichen Situation positiver
Frauen eintritt, den meisten geht es sogar besser. Ein Kind zu bekommen
kann enorm immunstimulierend sein. Es zeugt von einem großen
Lebenswillen und einer zukunftsgerichteten Lebensperspektive. Ein Aspekt
ist sicher auch, dass Frauen in keiner anderen Phase ihres Lebens so
empfänglich sind für gesundheitsfördernde Informationen und
Veränderungen.
Viele Frauen verheimlichen ihr
positives Testergebnis aus Angst vor der negativen Reaktion ihrer
Umwelt. Ist das in den geburtsvorbereitenden Gruppenangeboten nicht ein
Problem?
Die letzte positive Frau, die ich begleitet
habe, hat einfach nur an dem Kurs teilgenommen und den Kontakt zu
anderen Schwangeren genossen ohne sich zu outen, warum nicht? Ich erlebe
es in der Regel so, dass HIV-spezifische Fragen nicht in den
Gruppenangeboten, sondern mit mir oder den Ärzten im geschützten Raum
thematisiert werden. Das tun auch andere Frauen mit besonderen
Erkrankungen oder Lebensumständen. Die Kurse auf der einen und die
persönlichen Gespräche auf der anderen Seite erfüllen unterschiedliche
Funktionen. Als Hebamme mache ich jeder Frau unterschiedliche Angebote.
Das können Gesprächsangebote zu bestimmten Fragestellungen oder
Problemen sein, Entspannungsangebote oder Körperarbeit. Ich finde es
sehr wichtig, dass die Frau selbst bestimmt, was sie will. Manche
möchten nur über ihre Babyausstattung sprechen oder über den kommenden
Alltag mit ihrem Kind. Die Frau behält die Fäden in der Hand und
entscheidet nach ihren Bedürfnissen, über was sie reden möchte, oder ob
sie sie sich z.B. auf körpernahe Angebote einlassen möchte.
Wie finde ich denn als HIV-positive Frau eine Hebamme, die Erfahrung in
der Begleitung von HIV-positiven Frauen in der Schwangerschaft hat?
Nach der Landesarbeitsgemeinschaft im Mai habe ich einen
Rundbrief an alle Hebammen in NRW gesendet und sie aufgefordert, sich
mit den Aidshilfen zu vernetzen. Unser Ziel ist es, dass jede Aidshilfe
zu mindestens ein bis zwei Hebammen näheren Kontakt hat und die
Schwangere gut weitervermittelt werden kann, weil man sich kennt. Die
Aidshilfen tragen auch die Informationen über das Arbeitsspektrum der
Hebammen weiter. Viele wissen gar nicht, dass eine Hebamme von der
Familienplanung bis viele Monate nach der Geburt Hilfe und Unterstützung
anbietet und dass diese Leistungen kostenlos sind. Ich würde jeder
positiven schwangeren Frau empfehlen, bei der regionalen Aidshilfe nach
bekannten Hebammen zu fragen, denn einige kooperieren schon seit vielen
Jahren. Eine andere Möglichkeit wäre es, die Kreisgruppen der
Hebammen über die Homepage zu kontaktieren
und hier telefonisch nachzufragen, welche Hebamme in der Region
entsprechende Erfahrungen hat.